Wenn das Leben ruft

Über die Kunst, sich der eigenen Dunkelheit zu stellen

Vollmond, Finsternis und innere Prozesse

Happy Fullmoon – nachträglich. Gestern war Vollmond mit einer Finsternis. Mit all den weiteren astrologischen und energetischen Konstellationen eine wirklich interessante Zeit. Interessant nicht nur aus energetischer Sicht, sondern auch, weil solche Zeiten uns einladen, tiefer zu schauen.

Vielleicht spürst Du es auch: eine gewisse Spannung, eine innere und äußere Dichte, die sich kaum ignorieren lässt. Die momentane Zeitqualität fordert uns geradezu heraus, uns den dunkleren Themen (auch und gerade in uns) zu stellen – jenen Aspekten, die wir sonst vielleicht lieber vermeiden würden. Denn wir können uns kaum mehr entziehen und Dinge lediglich aus der Distanz bewerten und möglichst von uns fern halten. Puh!

Die Einladung zum Hinschauen

Möglicherweise kennst Du das auch: Es ist nicht leicht, sich den eigenen Schatten zu stellen, wenn das Leben sich ohnehin schon herausfordernd anfühlt. Doch genau das ist die Einladung: weg vom Verdrängen, hin zum bewussten Wahrnehmen. Nochmal „Puh…!“

Manchmal wünschte ich mir, ich könnte einfach die Decke über den Kopf ziehen und abwarten, bis alles vorüberzieht. Geht es Dir ähnlich? Oder stürzt Du Dich eher in Aktion und kämpfst, um irgendwie Kontrolle über das Chaos gewinnen? Doch weder das Wegrennen oder das Verstecken noch das Kämpfen bringt uns wirklich weiter. Beides sind uralte Schutzmechanismen, mit denen wir versuchen, dem Unbekannten, das zutiefst bedrohlich erscheint, zu entkommen. Und ja, diese Schutzmechanismen haben uns in Zeiten, in denen wir schutzlos und handlungsunfähig waren, gerettet.

Damals waren wir oft noch ganz klein. Wir konnten die starken Energien des Lebens nicht in unseren kleinen Körpern und (Nerven-)Systemen aushalten. Wir brauchten Halt und Geborgenheit von außen, um allmählich in die Möglichkeiten und Herausforderungen des Menschseins hineinzuwachsen – in eine Welt mit Licht und Dunkelheit, mit Schönem und Schwerem.

Doch heute sind wir erwachsen – und, im besten Fall, innerlich gewachsen. Wir haben Möglichkeiten und Werkzeuge, um die Stürme des Lebens nicht nur zu überstehen, sondern an ihnen zu erstarken. Wir sind nicht mehr ausgeliefert, sondern handlungsfähig. Wir können uns bewegen, unsere Hände und unseren Geist nutzen, wir können gestalten, co-kreieren. Und wenn wir noch nicht wissen, wie – dann können wir lernen, suchen und finden.

Und genau hier beginnt unsere Heldenreise.

Die Heldenreise:

Mir gefällt die Vorstellung, dass das Leben uns immer wieder ruft – dazu, uns selbst näher zu kommen, unsere Essenz zu erkennen und unser Licht zum Strahlen zu bringen. „Eigentlich“ 😉 Denn so mittendrin vergesse ich oft meine Begeisterung für dieses Konzept und die Lebendigkeit, das Wachstum und die Lebendigkeit, die damit einhergehen;-) Denn dieser Weg führt nicht nur geradeaus oder kurvig, sondern auch nach unten: in unsere persönliche Unterwelt, in die verborgenen Schichten unseres Seins. (Und, kleiner Spoiler: dann auch wieder nach oben!)

Hier jedoch, auf dem Weg in die Unterwelt, begegnen wir Widerständen:

  • „Neiiiin! Ich will das nicht!“
  • „Vielleicht geht es vorbei, wenn ich einfach nicht hinsehe? Oder wenn ich gar nicht da bin?“
  • „Ich bin grad so busy, damit kann ich mich jetzt nicht befassen.“
  • ___ hier kannst Du Deine eigenen Strategien einfügen, falls Du sie kennst:-)

Oder wir treten in den Kampfmodus:

  • „Okay, das wird hart, aber ich bin stark!“
  • „Ich werde mich durchbeißen. Irgendwie schaffe ich das!“
  • ___ hier ist wieder Erkenntnisraum für eigene Strategien;-)

Falls wir den Abstieg dann doch irgendwie „geschafft“ haben, sei es, weil wir uns ein Herz gefasst und mit schlotternden Knien einen Schritt nach den anderen Schritt gesetzt haben oder weil uns das Leben geschubst hat, sieht es mittendrin dann oft so aus:

  • „Warum immer ich? Warum ist das Leben so ungerecht?“
  • „Na wartet, ich kämpfe zurück! Ich zeig’s Euch allen!“
  • „Ich kann nicht mehr. Alles ist sinnlos.“
  • Manchmal fühlt es sich tatsächlich nach unserer dunkelsten Stunde an. Und das ist nicht lustig. Ich kenne das.

Und doch: Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. Und am Ende jeder Reise kehren wir mit Einsichten (im wahrsten Sinn des Wortes), mit Erkenntnissen und Geschenken zurück.

Die verborgenen Schätze der Dunkelheit

So herausfordernd der Weg durch innere Schatten auch sein mag, er bringt uns immer etwas Wertvolles: Erkenntnis, Heilung, Transformation – Läuterung, Demut und Mitgefühl.

Nach dem Kämpfen und Ringen in dieser Dunkelheit können wir auch immer einen bereichernden Schatz oder ein heilsames Elixier finden und damit nach unserer Rückkehr in die alltägliche Welt unser Umfeld bereichern. Das Problem ist, dass wir es oft erst im Nachhinein erkennen. Mittendrin vergessen wir, dass es einen Sinn hat. Oft vergessen wir alles, was wir jemals gelernt haben. Wir vergessen sogar, dass wir nie wirklich allein sind.

Deine treuesten Begleiter

In unserem Leben haben wir natürlich viele Begleiter, Mentoren und (hoffentlich) auch Freunde. Doch es gibt darüber hinaus zwei Begleiter, die immer an unserer Seite sind, egal wie dunkel es sein mag:
Unser Atem. Er erinnert uns daran, dass wir leben, dass wir hier sind. Er führt uns – gemeinsam mit unserer Seele. Sie weiß um größere Zusammenhänge, denn sie ist mit etwas unfassbar Größerem verbunden. Sie kennt den Weg, auch wenn unser Verstand ihn nicht sieht.

Wenn wir inmitten unserer Dunkelheit präsent bleiben können, wenn wir atmen und da sein können, geschieht Transformation. In diesem Annehmen dessen, was gerade ist, liegt eine Kraft, die alles verändert – eine Alchemie, die aus Blei und sonstigem Unedlen Gold entstehen lässt.

Der Schlüssel: Nimm Deinen Platz ein

Vielleicht stehst Du gerade selbst an einem solchen Punkt. Vielleicht ruft Dich das Leben, noch tiefer zu gehen, noch mehr von Dir selbst zu entdecken.

Erinnere Dich: Dein Atem ist immer da. Deine Seele kennt den Weg. In deiner Präsenz liegt die größte Kraft.

Oft denken wir, wir müssten „gehen“, um irgendwo hinzukommen. Doch in Wahrheit ist es, zumindest zu Beginn und auf einer inneren Ebene, kein Gehen. Es ist vielmehr ein Ankommen – ein bewusstes Einnehmen des eigenen Platzes im jeweiligen Moment. Genau dieses ganz da sein ist von größter Kraft, Schönheit und Bedeutung.

Ein Beispiel: Ich habe gerade super herausfordernde Erlebnisse mit Menschen in einer bestimmten Lebenssituation. „Eigentlich“ haben wir nichts miteinander zu tun und doch hat das Leben uns gerade an den gleichen Ort geführt. Wir triggern uns gegenseitig enorm und ich empfinde immer wieder passiv-aggressives Verhalten, das meinen Alltag beeinflusst.

Nun kann ich spüren, wie meine innere Reaktivität zu Vergeltung tendiert – „na warte, Euch werde ich’s zeigen!“. Ich male mir aus, wie ich ihnen diese ungesunde Energie spiegeln kann und, zugegeben, das tut für einige Momente gut. Gleichzeitig kann ich spüren, dass dadurch diese zerstörerische Kraft auch und immer mehr von mir Besitz ergreift. Und indem ich mir das im Geiste weiter ausmale, kann ich sehen, wie leicht es hier zu einem Krieg kommen könnte, aus dem keiner als Gewinner hervorgehen würde. Echtes Wachstum findet nicht in Kriegen statt.

Vom Widerstand in die Präsenz – die Einladung zum Hinschauen

Meine Seele zeigt mir stattdessen einen unendlich tiefen, klaren See. Hier kann ich ganz Platz nehmen. Hier kann sich mein entzürnter, aufgewühlter Geist abkühlen und wieder in die Weite und die Klarheit finden. Hier kann ich die zarten Anteile, die so mancher Grobheit und Härte schutzlos ausgeliefert waren, hinter den coolen Masken, den Schutzpanzern und den unterschiedlichen Kampf-, Verteidigungs- und Verdrängungsmechanismen sehen. Das bedeutet nicht, destruktives Verhalten zu dulden – es darf benannt werden. Aber die Reaktionsmuster des Überlebenskampfes, dieses „entweder Du oder ich“, lösen sich auf.

Ich für meinen Teil kann (immer wieder) ganz da sein. Kann meinen Platz einnehmen. Wahrnehmen, was mir die Situation zeigt, was ich wirklich brauche – und dafür einstehen. Gleichzeitig bleibe ich offen für Begegnung, für ein Miteinander. Denn darum geht es ja auch im Menschsein. Auch wenn wir auf einer Ebene alleine sind – wir kommen allein und gehen allein – sind wir doch hier, um miteinander die Welt zu gestalten. Und das beginnt im ganz Kleinen.

Wo in deinem Leben kannst Du gerade bewusst deinen Platz einnehmen? Wo lädt Dich das Leben ein, Widerstand in Präsenz zu verwandeln? Wo leuchtet der Mond gerade in eine deiner dunklen Ecken? Und vielleicht ist sein Licht sogar von einer Finsternis überschattet. Doch das geschieht nicht, um Dich zu quälen, sondern um dir zu zeigen, dass dort, in der Tiefe, ein großer großer Schatz verborgen liegt.

Sich der eigenen Dunkelheit zu stellen ist eine echte Kunst. Eine, die wir in jedem Alter erlernen und verfeinern können. Eine Kunst, die Mut erfordert, aber auch unermessliche Freiheit bringt. Die Freiheit der Ganzheit, die wir im Grunde sind.