Das wilde Herz

Eine Erinnerung an Lebenskraft, Sehnsucht – und unsere Fähigkeit, innere und kollektive Freiheit zu entfalten

Ich streife durch alte Geschichten, vergangene Zeiten – und entdecke in einem Fotoalbum Momentaufnahmen von Menschen, die ihr Bestes gaben, Familie zu werden. Menschen, die ihr Bestes gaben, aus ihrem Miteinander einen fruchtbaren Boden zu erschaffen, eine stabile Basis – für die, die da waren und die, die kommen würden.

Da fiel mein Blick auf das Foto einer Frau. Unvermittelt war mein Herz so tief berührt, dass mir Tränen in die Augen schossen.

Diese Frau trug so viel Lebenskraft, Mut und Offenheit in sich, so viel Bereitschaft für das Neue. Und gleichzeitig war eine Sehnsucht spürbar, ihre immense Lebendigkeit und Freude, ihre Kreativität und Fähigkeiten zu entfalten. 

Entfaltung und Wachstum – neben Verbundenheit, Geborgenheit und Sicherheit die Grundbedürfnisse jedes lebendigen Wesens.

Da erinnerte ich mich an die Geschichte des wilden Herzens.

Es heißt: Jeder Mensch – und besonders jede Frau, denn es ist eine urweibliche Qualität – trägt ein wildes, leuchtendes, sehnsüchtig schlagendes und zutiefst liebend und lebendig vibrierendes Herz in sich. Diese energetische Qualität ist nicht bedrohlich oder gefährlich. In ihrer Ursprünglichkeit ist sie sogar alles umarmend, erfüllt von Bedingungslosigkeit, Klarheit und Kraft. Sie ist wild im Sinne von echt. Echt und frei. Nicht domestiziert oder gefärbt von Normen und starren Strukturen, die wir uns mit der Zeit kollektiv und individuell auferlegt haben. 

Wenn das Wilde auf Widerstand trifft

Und natürlich: Strukturen sind wichtig, damit Energie kraftvoll fließen und sich in der Welt der Materie verwirklichen kann. Doch die Frage ist, wie wir uns selbst und der Welt aus diesen Strukturen heraus immer wieder begegnen. 

Diese Frau hatte, so, wie viele vor und auch nach ihr, nicht die Freiheit, dieses wilde Herz voll zu leben. Die Zeit, in der sich lebte, die Umstände, ihre Familie, die Geschichten der Vorfahren – in allem waren Widerstände eingewoben.

Immer wieder erlebte sie: „Nicht so. Nicht jetzt. Nicht du.“ Und vielleicht kennst auch du das.

Damals war das wohl keine denkbare Perspektive. Heute könnte sich die Frau vielleicht fragen: „Was, wenn ich diese äußeren Begrenzungen als Spiegel meiner inneren Ängste und Widerstände betrachten würde? Als Reflexionen der übernommenen Muster unserer Ahnen?“

Nicht als Schuldzuweisung – sondern als Befreiung. Denn zu erkennen, dass das Leben nicht gegen uns arbeitet, sondern dass wir, meist unbewusst, Prägungen und Glaubenssysteme übernommen haben und in uns weiterhin lebendig halten – auch, wenn sie gar nicht mehr dienlich sind – kann befreien.

Deshalb ist es so bedeutsam, diese inneren Bewegungen bewusst wahrzunehmen. Uns zu fragen: Was in mir möchte aus dem Bekannten ins Unbekannte wachsen? Wo will etwas in mir neue Wege gehen, die vielleicht nicht den bisherigen Mustern entsprechen?
Und gleichzeitig: Wie kann ich das, was mich bislang getragen hat, ehren – und trotzdem weitergehen?

Denn natürlich ist das Fundament, das in der Vergangenheit gelegt wurde, wichtig. Einst gab es uns Stabilität. Und aus genau diesem Boden will immer wieder Neues wachsen. Nicht selten etwas, das in noch keine bekannte Schublade passt. Und das ist nicht gefährlich – das ist lebendig.

Das wilde Herz in uns kann genau diesen Übergang halten: Zwischen Zugehörigkeit und Freiheit, zwischen Struktur und Erneuerung. Es erkennt, dass wir dazugehören wollen – ja müssen – um zu überleben. Und dass wir gleichzeitig frei sein müssen, um zu leben.

Diese paradoxe Spannung in Liebe zu halten, ist eine seiner größten Fähigkeiten. Und genau darin liegt auch sein tiefes Geschenk.

Erinnerung aus dem Quantenfeld

Wenn ich in der Zeit zurückreisen könnte – was wir im Grund alle können: in jedem Moment einer lebendigen Erinnerung – würde ich gerne dieser Frau begegnen. Ich würde mich von ihrer mitreißenden Energie begeistern lassen und würde sie bitten, ihr wildes Herz weiter und weiter sich entfalten zu lassen, denn es würde eine große Inspiration sein.

Und ich würde sie einladen, mit mir in einen Raum jenseits von Zeit und Raum zu treten: den Raum des Quantenfeldes. Eine Sphäre, die schon in den uralten Kulturen bekannt war und „bereist“ wurde. Dorthin, wo alles miteinander verbunden ist. Dort, wo die Einheit sich erinnert.

Dort wären wir ganz präsent und offen – verbunden mit der Urkraft des wilden Herzens.

Wir würden erkennen, erleben, verkörpern, dass alles eins ist. So dass sich alle Formen in diesem Feld der Einheit – in dieser formlosen Dimension – wieder in ihren natürlichen Fluss zurückbegeben können.

Alte Glaubenssätze würden schmelzen. Ängste würden sich wandeln – in Klarheit, in gesunde Grenzen. In die Fähigkeit, für sich einzustehen – und das Wohl aller im Blick zu behalten.

Die Kraft der Präsenz

Wenn wir diese Verbindung verlieren – was in unserer modernen Welt oft geschieht – erleben wir das Leben oft als überfordernd oder erdrückend oder als schal oder sinnentleert. Wir kämpfen oder ziehen uns zurück und fühlen uns klein. Wir glauben, den äußeren Kräften nichts oder nicht genug entgegensetzen zu können.

Doch das Kraftvollste, was wir je entgegensetzen können, ist unsere  Präsenz. Nicht das „kleine Ich“. Sondern das ganze Wesen. Die tiefe Verbundenheit mit dem großen Ganzen.

Wenn wir diese Präsenz anerkennen – in uns selbst und im Leben – dann geschieht etwas Magisches: Es ist, als würde das Kaleidoskop des Lebens sich von selbst drehen. Die Muster verändern sich. Und wir erkennen: Wir sind nicht machtlos. Wir sind Macht. Wir sind Schöpfung. Wir sind Leben.

Eine Einladung an das wilde Herz

Diese Haltung, diese innere Kraft würden wir, die Frau vom Foto und ich, dort erleben. In unserer Präsenz. Im Quantenfeld. Im Horizont der Großartigkeit. Im Erinnern.

Dieser weite Raum würde uns einladen, neugierig zu sein. Bereit. Offen.
Er würde uns einladen, uns unserer strahlenden Schöpferkraft anzuvertrauen.

Wir sind eingeladen, in unsere Präsenz zu treten – und das wilde Herz in uns wieder zu spüren.

Nicht nur für uns selbst. Sondern für alle, die vor uns waren und nach uns kommen.

Denn jedes befreite Herz schenkt auch anderen den Mut, sich zu erinnern:
Ich bin wild. Ich bin frei. Ich bin Liebe.

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