frei nach Henri Nouwen

Zwei ungeborene Zwillinge unterhalten sich im Bauch ihrer Mutter.
Der eine fragt:
„Glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“
Der andere lacht:
„Natürlich nicht. Wie soll das gehen? Das hier ist alles, was es gibt.“
Der erste bleibt still. Dann sagt er leise:
„Aber manchmal, wenn es ganz ruhig ist, dann spüre ich so etwas wie… Wärme. Nähe. Liebe. Vielleicht ist da doch etwas.“
Der andere winkt ab.
„Das bildest du dir nur ein. Und überhaupt – wer soll denn diese ‚Liebe‘ sein?“
Der erste denkt nach.
„Ich weiß es nicht genau. Aber ich stelle mir vor, dass sie überall um uns ist. Dass wir aus ihr kommen. Und dass sie uns irgendwann – nach der Geburt – empfängt.“
Der andere schüttelt den Kopf:
„Geburt… völliger Unsinn. Es gibt kein Leben nach diesem Leben. Stell dir doch mal vor, was das bedeuten würde – Wie glaubst du, sollte das aussehen?“
„So ganz genau weiß ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel heller als hier sein. Und vielleicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen?“
„So ein Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Mit dem Mund essen, was für eine verrückte Idee. Es gibt doch die Nabelschnur, die uns ernährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist die Nabelschnur doch viel zu kurz.“
„Doch, es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders sein.“
„Du spinnst! Es ist noch nie einer zurückgekommen von „nach der Geburt“. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende. Basta!“
Ich gebe ja zu, dass keiner weiß, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mutter sehen werden, und sie wird für uns sorgen.“
„Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter? Wo ist sie denn bitte?“
„Na hier – überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein!“
„Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt oder gesehen. Also gibt es sie auch nicht.“
„Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören, oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt…“
Und tief in beiden wächst etwas.
Eine Ahnung.
Ein Erinnern.
Ein leiser Glaube daran,
dass das Leben vielleicht größer ist,
als es im Moment scheint.